Forumtheater
Ziel: Junge Menschen werden dabei bestärkt, eigene Interessen und Kinderrechte zu identifizieren und sich für diese einzusetzen. In einer Konfliktszene werden gemeinsam mit dem Publikum verschiedene Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten erprobt.
Zielgruppe: junge Menschen (ab etwa 8 Jahren), Eltern, Sorgeberechtigte, Fachkräfte
Voraussetzungen/Barrieren: Sprachkenntnisse, Mobilität
Zeitrahmen: 90 – 120 Minuten (je nach Gruppengröße)
Materialien: Ggf. Kostüme und Requisiten, Stühle, Kreppband
Quelle: Friderike Wilckens (2011): Forumtheater. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. Online: https://www.bpb.de/lernen/kulturelle-bildung/60265/forumtheater. Geändert von Philip Meade, Stand: 22.08.2022
Hintergrund:
Die Methode des Forumtheaters hat Augusto Boal in den 1950er Jahren in seinem Theater der Unterdrückten entwickelt. Im Peruanischen Exil nahm Boal die Teilnehmenden, die hauptsächlich aus benachteiligten Gruppen stammten, als Expert*innen für ihre jeweilige soziale und gesellschaftliche Situation wahr. Diese hatten viel mehr Verständnis und Einblick in die Lage als die professionellen Schauspieler*innen. So hob er die starre Grenze zwischen Bühne und Publikum auf.
Im Forumtheater wird dem Publikum eine Konfliktszene vorgespielt, welche aus den Erfahrungen der Teilnehmenden entwickelt wurde und in einem dramatisch zugespitzten und unbefriedigenden Höhepunkt kulminiert. Das Publikum wird eingeladen, sich interaktiv zu beteiligen und mit sogenannten „Interventionen“ den problematischen Verlauf abzuwandeln und die geschilderte Szene zu einem besseren Ende zu bringen.
Als Intervention können die Zuschauenden den Verlauf an einer bestimmten Stelle der Szene diskutieren, sie können den Spielenden Änderungen in Wort und Gestik vorschlagen oder sich auch in ausgewählte Rollen einwechseln lassen und diese nach eigenen Ideen fortspielen.
Im Forumtheater werden verschiedene Rollen zur Identifikation und emotionalen wie intellektuellen Auseinandersetzung angeboten. Dem Rollentausch und Perspektivwechsel sind dabei keine Grenzen gesetzt: Erwachsene spielen Kinder, Kinder spielen Erwachsene, Frauen spielen Männer usw.
Ablauf:
Die Teilnehmer*innen erörtern in Kleingruppen von etwa fünf Personen, welche Kinderrechte in unterschiedlichen Situationen gebrochen werden. Sie einigen sich gemeinsam, eine bestimmte Situation nachzuspielen. Zur Suche von kritischen Situationen in der Familie, in Institutionen, im Sozialraum oder weltweit eignet es sich, vorab die Methode „Kinderrechte-Meckerecke“ durchzuführen.
Jede Gruppe probt ihre ausgewählte Situation mit improvisierten Texten und Handlungen. Aus der Szene muss deutlich hervorgehen, worum es geht und was die Protagonist*innen wollen. Dabei sollte es mindestens ein*e Protagonist*in geben, die sich für die Kinderrechte einsetzt sowie mehrere Personen, die die Kinderrechte – ob mit oder ohne Absicht – verletzen. Die Gruppen spielen ihre Szenen zum Ende der Kleingruppenarbeit einmal komplett durch.
Auf dem Boden wird durch Klebestreifen ein Bühnenraum und ein Zuschauerbereich markiert. Die Stühle werden alle im Zuschauerbereich platziert. Alle Teilnehmenden kommen wieder zusammen und setzen sich erst einmal in den Zuschauerbereich. Die Kleingruppen spielen der Reihe nach ihre Szenen vor. Zu Beginn einer Szene klopft die Moderation, gemeinsam mit allen Zuschauenden, auf die Knie und ruft zum Ende laut „Uuuuuuund Szene ab!“.
Nach jeder Szene wird eine zweite Runde gespielt: Jetzt können die Zuschauenden intervenieren. Sie rufen „Stopp!“, wenn sie zu einer bestimmten Situation während der Vorführung eine Änderungsidee haben. Daraufhin unterbricht die Moderation die Szene und die Spielenden halten das aktuelle Bild in Gestik und Mimik an („Freeze“). Der Änderungsvorschlag kann ein anderer Text oder auch ein Hinweis auf eine Verhaltensänderung sein. Die Zuschauer*in kann auch anbieten, selbst eine bestimmt Rolle zu übernehmen und diese – nach Signal durch die Moderation – nach eigener Idee weiterzuspielen. Weitere Runden bereichern die Szene mit neuen Ideen, Handlungsalternativen und Sichtweisen. Das Publikum erfährt so deren Wirkungen.
In der Regel lohnen sich mehrere Runden, da pro Intervention ja eine Änderung der Szene erwirkt wird, die wiederum neue Interventionsideen provozieren kann. Zum Verdeutlichen und Entzerren von zu schnell oder undeutlich gespielten Szenen kann die Szene auf Zeichen der Moderation in Zeitlupe wiederholt werden.
Die Szenen werden so lange gespielt, bis sich für die Teilnehmenden eine zufriedenstellende Situation ergibt oder sich die verfahrene Situation zumindest etwas entschärft hat. Das Forumtheater verdient einen großen Abschluss-Applaus für alle. Die Erlebnisse mit den verschiedenen Rollenwechseln und Änderungen der Gesamtszenerie klingen erfahrungsgemäß lange nach.
Reflexion:
Zum Ende der Vorstellungen werden während eines Reflexionsgesprächs die Schauspieler*innen gefragt, wie es ihnen auf der Bühne ergangen ist. Daraufhin wird gemeinsam mit dem Publikum reflektiert, welche Interessen in der Theaterszene übergangen wurden, welche Rechte gebrochen wurden und welche Strategien dazu beigetragen haben, die Situation zu verbessern. Zum Schluss kann die Frage gemeinsam erörtert werden, ob die Ergebnisse des Forumtheaters sich dazu eignen, Kinderrechte im Lebensumfeld der Teilnehmer*innen tatsächlich besser umzusetzen.
Wichtig:
Die jungen Teilnehmer*innen stehen bei dieser Methode im Mittelpunkt. Ihre Erlebnisse, ihre Meinungen, ihre Forderungen und ihr Können sind hier gefragt. Um hierfür genügend Vertrauen zu wecken, bedarf es allerdings der entsprechenden Haltung der Moderation, die die jungen Menschen ernst nehmen muss und bereit sein sollte, von ihnen zu lernen.
Theaterspielen im Allgemeinen und diese Methode im Besonderen kann starke Emotionen wachrufen, mit denen die Moderation ggf. zugewandt und aufmerksam umgehen sollte. Es ist nicht auszuschließen dass bei der Methode Traumata getriggert werden. Die Moderation sollte genügend Kapazitäten haben, einen solchen Fall auch im Nachhinein zu begleiten bzw. an entsprechende Begleitung weiterzuvermitteln.